Abhängigkeit und Freiheit

Castorp schreibt in seinem neuesten Beitrag über Besitzanpruch, Abhängigkeiten und Verlustangst in einer Beziehung. Toller Artikel, er berührt meine Thematik. Was heisst berührt, er trifft den Kern.

Nun bin ich es, der in meiner Beziehung etwas losgetreten hat, was Verlustangst heraufbeschwört. Frau Notos geht scheinbar selbstbewusst damit um, dreht nicht durch, scheint gefeit gegen Verlustangst, sondern sieht die Situation als Chance. Alles super, könnte man meinen, weit gefehlt. Wer kommt damit nicht zurecht? Ich. Derjenige, der so großspurig von offener Beziehung redete. Nun bin ich nicht in der Lage, die scheinbaren Freiheiten auszuleben.

Mir fehlt innerlich die Eigenständigkeit, mir das zu nehmen, was ich möchte. Mir gehlt die Freiheit, mir fehlt die Sicherheit dafür. Diese Erkenntnis ist so simpel, aber gleichzeitig so hammerhart. Ich erkenne Grenzen, die ich nicht wahrhaben will. Diese Grenzen liegen in mir, nicht in einer Person im Außen. Dadurch wird einiges leichter, ich kann bei mir schauen, ob und wieviel Freiheit ich ertrage. Freiheit, nach der es mich dürstet, die ich nicht leben kann. Was für ein Widerspruch.

Die gesamten letzten Monate und Jahre laufe ich mit der Erkenntnis herum, in unserer Beziehung gibt es eine Schieflage. Ich bin der Bedürftigere, sie die Stärkere. Daran war nichts zu rütteln. Ich wollte einen emotionalen Ausgleich, eine Beziehung des Gleichklangs, in der nicht ich mich anstrengen muss, sondern in der ich ich sein kann, in der ich annehmen kann, nicht ständig fordern muss. Ich wollte auch eine erotische Beziehung, Sex auf Augenhöhe, auch hier suchte ich einen Gleichklang, eine Erfahrung, wie es anders sein könnte. All das zusammen passte wunderbar.

Nun dies. Wie soll ich das leben? Muss ich mich entscheiden? Für eine Frau? Oder geht doch irgendwie beides? Diese Worte klingen so absurd, kaum aufschreiben kann ich sie. Dabei wurden all diese Gedanken bereits mehrfach durchgespielt. Scheinbar dauert der Durchsatz.

5 Antworten zu “Abhängigkeit und Freiheit

  1. Wenn du dort bist, wo du sein möchtest, nämlich in innerer Ruhe und einem friedlichen Miteinander der Bedürfnisse Freiheit und Sicherheit; wenn du dich nicht mehr forderst und zwingst und runtermachst als schwach, sondern dich so magst, wie du bist, dann hast du dein Problem mit der offenen Beziehung wahrscheinlich schon gelöst bzw. es löst sich von alleine. Vielleicht muss man erstmal die Beziehung zu sich selbst in einen Gleichklang bringen, bevor man in der Lage ist, eine solche Beziehung zu anderen Menschen zu haben. Liebe Grüße

  2. Privates ist durch das Gesetz oder durch gesellschaftliche Normen viel weniger geregelt als früher. Und das ist gut so. Dadurch geniessen wir Freiheiten, von denen unsere Eltern-, nicht zu sprechen unsere Grosselterngeneration nur träumen konnte.

    Dass wir auf innere Widerstände stossen, wenn wir uns anschicken, diese Freiheiten auszuleben wie es uns unsere Lust und Laune nahelegt, ist ebenso bemerkenswert wie nötig. Keinesfalls handelt es sich dabei um Relikte aus jahrhundertealten Vorurteilen und Zwängen, wie das die „Progressiven“ gerne darstellen.

    Dass sich die monogame Zweierbeziehung gegenüber der offenen Beziehung behauptet, ist ein Indiz dafür, dass diese Form der Beziehung den in unserer Kultur verankerten Bedürfnissen am gerechtesten wird.

    In deinem Fall heisst das nach meiner bescheidenen Meinung: Finde mit deiner Frau heraus, wie es zur von dir gefühlten Schieflache in deiner Ehe gekommen ist. Dieser Frage als Paar auf den Grund zu gehen, birgt ein enormes Entwicklungspotential für dich – und ich vermute, auch für deine Frau. Ich wünsche euch dabei viel Glück und Einsichten, die euer Leben bereichern.

    Offene Beziehungen sind übrigens oft auch dazu da, genau solchen sehr persönlichen und manchmal schmerzhaften Fragen auszuweichen. Dein Wille und deine Offenheit, dich diesen Fragen aber zu stellen, sind ein Zeichen der Stärke, nicht der Schwäche.

  3. Guten Tag Notos,
    ich habe mir heute die Zeit genommen und Deinen Blog komplett durchgelesen. Viele der Gefühle und Nöte, die Dun ansprichst, erkenne ich in mir deutlich wieder. Ich habe eine liebe Frau, lange schon, und ich habe so meine (versteckten) Sehnsüchte, auch lange schon. In der Summe einen Berg Unzufriedenheit mit dem Ist und zu wenig Traute für das Könnte. Ich wollte mich hiermit nachträglich für den Ruf „Wo sind die Männer?“ melden. Gruß JurekP

    • Lieber Jurek, wunderbar, danke für dein Kommen und dein Hallo. „Zu wenig Traute für das Könnte“, auch ein schöner Satz. Bist hoffentlich nicht zu verzweifelt? Weiss deine Frau davon? Ich werde mir Zeit nehmen, um deinen Blog zu lesen.
      Beste Grüße
      Notos

  4. Hallo Notos,
    fällt mir dazu eine Frage ein und zwar gleich zum zweiten Absatz: Was hast Du erwartet? Ich meine, welches Absicht hattest Du (wirklich), als Du Frau Notos Deine Themen „gebeichtet“ hast?
    Ich finde es gut, wie Du Deine Situation analysierst. Es ist sicher richtig, dass die Grenzen in Dir sind, nicht im „Außen“.
    Du schreibst Du müsstest Dich entscheiden, für eine Frau oder geht beides. Wenn ich das richtig interpretiere, dann gibt es neben Deiner Frau noch eine zweite Frau?
    Was spürst Du? Liebst Du Deine Frau? Angst Deine Frau zu verlieren, ist nicht Liebe. Du schreibst, dass sie immer die Stärkere war, und sie ist es aktuell auch offenbar. Du seist der Bedürftigere gewesen hast aber immer fordern müssen? Das verstehe ich nicht ganz.
    Wie @mayarosa habe ich das Gefühl, dass Du Dich zur Zeit nicht so annimmst, wie Du bist.
    So wie Du schreibst, auch mit Gedanken, die durcheinanderwirbeln und vielleicht nicht immer geordnet sind, sehe ich einen starken Mann (war ja schon Thema in Deinem Blog). Vielleicht kein Macho, sondern ein Mann der auch weiche Seiten hat. Aber Notos, ich fühle Stärke. Du stellst Dich hier deinen Themen, Du erkennst, dass Du für Dich etwas tun willst, Du hast Dich Deiner Frau geöffnet. So handelt ein starker Mann. Du bist auf dem Weg und zwar schon eine ganze Weile. Selbst erkennt man seine Veränderungen sein eigenes Wachstum nicht, aber ich denke, die bist schon ein riesiges Stück voran gekommen.
    Ich weiß, dass Du Deine Ängste überwinden und in Mut umwandeln kannst. Wenn Du Dich annimmst und selbst liebst, wirst Du erkennen, dass Dein Wunsch frei und emotional ausgeglichen zu sein, greifbar nahe sind. Dann kannst Du Dir, verantwortungsvoll in Liebe zu Deiner Frau, alle Freiheiten nehmen.
    Liebe Grüße
    Nouniouce

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